Fast jedes Buch, das sich wenigstens ansatzweise bemüht, die Möglichkeit "magischer" Realitätserschaffung zu begründen, beruft sich an irgendeiner Stelle auf die Quantenphysik.
Im Wesentlichen wird die Verschränkung von Mikro“teilchen“ (Wahrscheinlichkeitswellen) und ihre Auflösung mit dem Akt der Messung verantwortlich gemacht für eine schöpferische Rolle des menschlichen Beobachters. Er soll eine bestimmte Realität ins Leben rufen, indem er erst durch seine Mess-Beobachtung festlegt, welche Version eines Teilchens entsteht. Bestimmte Konstruktionen (Schrödingers Katze, empfindliche Hirnzellen, chaotische Gabelungen) können diesen kreativen Akt zu einem makroskopischen Ereignis verstärken. Dies funktioniert mittels paarweise erzeugter „Teilchen“ sogar – meint die Theorie – über beliebig große Entfernungen, und zwar sofort.
Kann man damit die absichtliche Entstehung komplizierter Situationen wie zum Beispiel schönes Wetter morgen um 15.00 Uhr oder einen besseren Job bewirken?
Nochmal: In der Quantenphysik geht es um Mikroprozesse, die nur unter ganz bestimmten Umständen Auswirkungen auf die mittelgroße Welt haben. Zwar ist das Wetter teils ein chaotisch-empfindliches System und der neue Job wird von einigermaßen hirngesteuerten Menschen ausgeschrieben, doch müssten Winde und Hirne vom „Beobachter“ darüber informiert werden, was geschehen soll - durch einen riesigen Schwall verschränkter Wellen, wobei die eine Hälfte im „Beobachter“ kondensiert und die andere schon im „Empfänger“ ist. Diese Zwillingswellen müssen alle nötigen Informationen über den Zielzustand „übertragen“, welche im Zielgebiet erkannt, entschlüsselt, verstärkt und umgesetzt werden. Glauben Sie das?
Die bekannte Quantenphysik gibt darauf jedenfalls kaum einen Hinweis. Fragen Sie die echten Quantenphysiker! Nützt es wenigstens, wenn einige potentielle Teilchen in meinem Hirn mit einigen in Ihrem Hirn verknüpft sind? Kann ich Sie dadurch zu einer ganz konkreten Handlung veranlassen? Oder irgendjemanden? Und kann ich so ähnlich die Wolken steuern?
Es tut mir leid, aber wir haben einfach noch keine Physik, die hier mit sinnvollen Erklärungen aufwarten kann. Alles was die Quanten uns bieten, sind Anregungen zum Weiterdenken und zu Analogien. Wir können sie in allgemeinere Überlegungen einbeziehen, so wie es David Bohm tat, dessen Philosophie weder von der Richtigkeit seiner Quantenphysik abhängt noch aus ihr entstanden ist. Wir können uns jedoch nicht auf die Sicherheit einer exakten Naturwissenschaft berufen, ohne von genau dieser Wissenschaft widerlegt zu werden.
Was haben wir also, um zu einem ausgewogenen Weltbild zu kommen, das auch reale Erfahrungen erklärt, die über die bisherige Vorstellung von Realität hinausgehen? Wir haben allgemein-logische Konzepte. Bevor Metaphysik in Verruf geriet, konnte man sich noch ungestraft auf sie berufen. Unter dem Diktat einer Naturwissenschaft, die einen wesentlichen Teil der Natur ignoriert, bedarf sie aber offenbar der Rechtfertigung. Etwa so, wie sie Wolfgang Sohst seiner "Prozessontologie" (xenomoi, Berlin 2009) voranstellt:
„[Die metaphysische] Theorie ist ein ganz überwiegend spekulativer Ansatz zum einheitlichen Begreifen der Welt […]. Sie konkurriert nicht mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen zum selben Gegenstand. Im Gegenteil, sie soll ihnen zuarbeiten. Diesen Anspruch soll sie auf dem Wege einer grundlegenden Orientierung erfüllen. Insofern jede Orientierung auch ein Stück weit Erklärung ist, bedeutet der Ausdruck ‚Erklärung‘ in der Metaphysik allerdings etwas anderes als in der zeitgenössischen Naturwissenschaft, nämlich nicht Ereignisprognose, sondern die Schaffung kohärenter Weltvorstellungen durch sprachliche Konstruktion über die Grenzen empirischer Erfahrung hinaus. Eine solche orientierende Erklärung sollte allerdings mit der erfahrenen Lebenswirklichkeit vereinbar sein, auch wenn dies nicht ihre einzige Aufgabe ist, und nicht einmal ihr absoluter Prüfstein. Darüber hinaus sollten metaphysische Weltmodelle in dem Sinne praktisch plausibel sein, dass sie in einem sehr allgemeinen Sinne handlungsleitend wirken oder zumindest wirken können.“