Wenn wir nur im ständigen Wechsel des Blickwinkels
existieren können (sensorisch, psychisch, geistig) und dies sinngemäß für jeden
beliebigen Wirkungsort gelten muss (Kaum hat's gewirkt, ist es anders), wie
entsteht dann Stabilität, also Gleichbleibendes?
Natürlich durch Wiederholung
des Wechsels: des Gedankens, der Betrachtungsweise, der gegenseitigen
Bestätigung, der Wirkung. Ganz genau kann der Wechsel freilich nur einen
unendlich kurzen Moment wiederholt werden, dann muss er bereits über die Wiederholung
hinausreichen, um sich nicht selbst aufzuheben. Das heißt, er verändert sich insgesamt und bleibt dadurch offen. Doch
zur Stabilisierung genügt schon annähernde
Wiederholung. So glauben wir beispielsweise lange annähernd das Gleiche.
Warum nochmal wiederholen wir uns überhaupt? Weil sonst alles gleich wieder verschwände, nur einen
unendlich kurzen Moment existierte. Hat aber etwas minimale Stabilität gewonnen
und somit eine Ganzheit gebildet,
kann diese weiter stabilisierend wirken, da ein Wechsel mit ihr als solcher nun auch mehr Wiederholung enthält: Jeder
Wechsel beinhaltet ja seine Seiten
und "bringt" dadurch von jeder Seite etwas in die andere ein. Ist
eine davon relativ beständig, wird die andere immer wieder auf ähnliche Weise "angesprochen"
und so zur Beständigkeit "verführt". Oder sie verliert irgendwann
den Anschluss.
In der sogenannten "Materie" geschieht es nicht
anders: Sie stabilisiert sich auf diese Weise in molekularen Wechsel-Wirkungen
und bildet so Berge, Tisch und Klima. Da es sich hierbei um nichts als kleine
und große Wechsel des Wirkungsortes handelt, kann der gesamte Wechsel
prinzipiell bis ins menschliche Gehirn und seinen Geist verfolgt werden -
und umgekehrt vom Geist in sein Gehirn in seine Umwelt. Wir finden vielfältige
Zwischenstabilisierungen emotional-mentaler, mechanischer, elektromagnetischer,
sonstiger und unbekannter Art, die alle zu unserer relativ beständigen Welt
beitragen, aber niemals in sich abgeschlossen sind.
Nun ist die Ganzheit eines Wechsels allerdings, wie
beschrieben, eine Bewusstseinsstruktur (siehe Bewusstsein I und Bewusstsein II).
Wir haben es folglich überall mit
Formen von Bewusstsein zu tun - mit mehr oder weniger Wahlfreiheit
(siehe dort sowie Unterbewusstsein) und einer zunehmend unbekannten
Tiefe (siehe Gewahrsein I und Gewahrsein II). Wir leben in einer Welt des
wählenden Bewusstseins oder Gewahrseins. Also ist Beständigkeit gewollt.
Wir Menschen schaffen uns zum Beispiel juristische Gesetze;
Tiere, Pflanzen und Bakterien bilden eigene soziale Regeln aus; und auch die
Wechsel-Wirkungen der "Materie" fügen sich in Gesetzmäßigkeiten,
sogenannte "Naturgesetze". Aus der relativen Offenheit jedes
Wechselsystems folgt jedoch ebenso, dass es sich jederzeit mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit ändern kann. Darum müssen selbst "Naturgesetze"
auf irgendeine Weise relativ sein.
Ihre Stabilität beim Experimentieren beruht - wie die
unserer Lebenswelt - auf relativ geschlossenen "kollektiven"
Wechselbezügen. Sie bedeuten den weitgehenden Ausschluss von alternativen Wechselwegen
und begünstigen gegenseitige "Abhängigkeiten". Was wir glauben, das
suchen und finden wir mit höherer Wahrscheinlichkeit, und was wir meistens
finden, das glauben wir. Wir wechseln immer wieder dorthin, mit allen anderen,
die uns darauf verweisen, und verdrängen den scheinbar unpassenden "Rest".
Schließlich sind Gefundenes und Geglaubtes untrennbar und mögliche Abweichungen
abartig. Und damit haben wir sogar recht: Unser Realitätstrichter ist
etabliert.
Nur von dem, was wir trotz
bewusster Offenheit nicht ändern können, wissen wir noch nicht, warum es sich widersetzt. Andererseits
wäre es auch merkwürdig, wenn wir mit begrenztem Weltwissen über unbegrenztes
Potential verfügten. Oder unsere tiefsten Absichten verstünden.
Dieser Text ist ein Auszug aus dem theoretischen Teil meines Buches
Wahrhaftigkeit. Mit welchem Bewusstsein wir Realität erschaffen
Wahrhaftigkeit. Mit welchem Bewusstsein wir Realität erschaffen