Unterschiede der Philosophie von Claus Janew zur Phänomenologie von Edmund Husserl

Edmund Husserls phänomenologische Beschreibungen* weisen viele Ähnlichkeiten zu meinen eigenen Überlegungen auf, beispielsweise wenn er von einem "Hof" (Halo), einem "Erlebnishorizont" (Gewahrsein) oder einem "zentralen Einheitspunkt" (neutraler Mittelpunkt) spricht. Dennoch treibt er die Allgegenwart der Mittelpunkt-Peripherie-Struktur nicht konsequent zur Infinitesimalstruktur weiter.

In Husserls Modell wird die Dynamik eher als gedacht und vermutet behandelt, statt als Vollzug an sich. Dass sie immer wieder bestätigt werden muss, wie er sagt, bedeutet noch nicht dasselbe. Deshalb lässt sich seine Theorie auch kaum auf nicht-menschliches Bewusstsein ausweiten. Die Dynamik und die von ihm eigentlich beschriebene Punktmittenstruktur (eine reduzierte, verendlichte "Infinitesimalstruktur") werden nicht ernst genug genommen. Da er außerdem Wahrscheinlichkeiten nicht als dynamisch real ansieht, gelangt er nicht zum Konzept der Wahlfreiheit.

Interessant ist Husserls Zentrum zwischen Subjekt und Objekt, das man als nicht-duales "Mu", also als einheitlichen Absichtsstrom ("Intentionalität") verstehen kann. Meines Erachtens muss aber auch dieser Strom Unterscheidungen treffen, selbst zwischen seinen Richtungen, nur ohne zusätzliche Selbstreflexion.

Für Husserl sind objektive Gegenstände harmonische oder einheitliche Stabilitätskerne "dynamischer" Wahrnehmung und das reine Subjekt ein neutraler Punkt in der Gesamtheit der Wahrnehmung (überlagert oder umgeben vom "personalen Ich"). Auch dies kommt der Wahlfreiheit nahe!

Andere Subjekte sind Unterstellungen, die wie Stabilitätskerne gebildet werden, nur mit (unterstellter) eigener subjektiver Wahrnehmung. Husserls Abneigung gegen "Psychologisierung" verhindert wahrscheinlich, dass er das Unterbewusste ernst nimmt und den Realitätstrichter etabliert. Stattdessen schafft er eine Art Ersatz, der an der Oberfläche endet. Der "innere Horizont" wird nur durch die gegebenen Sinne gebildet.

Dementsprechend hat auch das Wesen bei Husserl keine Tiefe, keine Verborgenheit und ist keine Einfaltung. Das "Absterben" der Dynamik verhindert die Erkenntnis der dynamischen Allverbundenheit beziehungsweise des einzigen Wechsels. Fehlende Unendlichkeiten verhindern den notwendigen "Schmierstoff". Die Stabilität der Kerne oder Gegenstände wird nicht erklärt, sondern nur ermittelt und hingenommen, obwohl sie durch Forschung aufgeschlüsselt und konkret erklärt werden können. Eine allgemeine Erklärung gibt Husserl nicht, außer Wiederholung bzw. Gewohnheiten ("Habituationen") - was nicht falsch ist, aber er treibt es nicht so weit, wie er könnte.

Husserl sieht kein Kondensat, keine Unschärfe zur Mitte hin gegenüber der detaillierten Peripherie. Daher kann er Leerräume nicht glaubwürdig überbrücken (im Inneren der Umschreibung), was die Anwendung auf "materielle" Wechselwirkungen erschwert. Es fehlt der Wechsel als Kernbegriff, der zwischen den Zentren klar unterscheidet und die Einheitsbildung ebenso klar definiert. Was Husserl beschreibt (Tendenzen/Verweise, Potentiale, Schlussfolgerungen), sind teilreflektierte Aspekte davon.

Im gemeinsamen Mittelpunkt einer Gemeinschaft kommen die Mittelpunkte der verschiedenen "Sinneseinheiten" "zur Deckung" und würden so einen selben Gegenstand beschreiben. Husserl übersieht hier, dass ein Punkt ohne den Unterschied der "Sinneseinheiten" keine Aussagekraft mehr hat. Das heißt, er ist an dieser Stelle nicht konsequent, vielleicht weil er die Konsequenzen fürchtete. Konsequent wäre die Dynamik der "Sinneseinheiten" und das unscharfe Kondensat als "Gemeinschaftsgegenstand" (in 3D im Trichterkanal).

Auch Husserl sagt sinngemäß, dass die Dinge im Zentralpunkt miteinander identifiziert sind. Doch bei mir ist es eine mystische, asymptotisch vorweggenommene Identität. Bei ihm ist es der wahre Gegenstand in kontinuierlicher Veränderung - flacher, eher eine Flucht vor dem Kondensat und nur scheinbar konkreter. Wenn Mittelpunkte "zur Deckung kommen", liegen sie vielmehr auf derselben Achse des aktuellen Realitätsrichters. Und das Unterscheiden zwischen den "Dingen" dieser Mittelpunkte ist eine Verschiebung auf der Achse. Selbst so gesehen ist mein Bild dynamischer: Die Verschiebung würde einen neuen Mittelpunkt bewirken, eventuell auf der gleichen Achse.

Letztlich beschreibt Husserl eher eine statische "Umgrenzung" mit einem zentralen Einheitspunkt, eine Art "Realitätstrichter in 2D", aber keine konsequente dynamische Umschreibung, keine Quasistatik und keine Wahlfreiheit. Mein Ganzheitspunkt und sein Einheitspunkt sind zwar äquivalent, doch die Betonung und damit die Schlussfolgerungen unterscheiden sich.

Ganzheit ist dynamischer, Einheit statischer. Man könnte auch sagen, die Dynamik der Umschreibung bildet eine Ganzheit und deren Quasistatik eine Einheit. Aus der Dynamik muss die Einheit erst hergestellt werden, während sie durch "Teile" bereits impliziert ist. "Herstellung" ist natürlich eine Betonung, aber auch sehr viel offener - die Herstellung aus einem Potential, das auch ins Unendliche reichen kann. Bei Husserl ist dies jedoch ein "Horizont". Wer das Potential statisch darstellt, ist nicht konsequent und erkennt nicht den Hilfscharakter dieses Begriffs. Dynamik ist nicht auf Potential reduzierbar; Potential ist nur ein Teilaspekt davon, denn es muss ständig realisiert werden. Das schreibt auch Husserl, betont aber das Potenzial und nicht die Dynamik als solche.


*in "Ideen zu einer Reinen Phänomenologie und Phänomenologischen Philosophie", erstes Buch.


Empfohlene Bücher:

Die Erschaffung der Realität Bewusstsein als I-Struktur. Das Spiel der Unendlichkeiten


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