In Bewusstsein I haben wir die Bildung
von I-Strukturen durch Umschreibung behandelt und in Gewahrsein I
den Wechsel der Perspektive als solchen. Doch im Grunde ist beides ein und
dasselbe.
Umschreibende Bewegung - Bewusstsein - ist
natürlich ein Wechsel von individuellen Blickwinkeln. Und die Wahrnehmung eines
Wechsels - Gewahrsein - umschreibt auch eine konstante Mitte. Der
Unterschied zwischen betonter
Umschreibung und betontem Wechsel
liegt in der Dichte des umschriebenen Zentralbereichs. Bildet der umschreibende
Wechsel (zum Beispiel zwischen Fassaden) ein Objekt aus (ein Haus),
symbolisiert das inhaltlich dichte Zentrum dessen Einheit ("drin sein").
Wird der Wechsel mehr als solcher wahrgenommen, ist der Objektcharakter dünn ("Sind
es mehrere Häuser oder eins?").
Das Maximum der Einheit liegt im intuitiven Mittelpunkt,
während das Maximum des Wechsels im Wechsel selbst besteht. Das heißt, der
Wechsel ist maßgebend und die Umschreibung abgeleitet. (Ohne Fassaden auch kein
Drinnen.)
Nun ist aber die "Spur" des Wechsels (des
Fassadenlaufs) in der Erinnerung mehr oder weniger zusammengewickelt, also
verdichtet, und dem jeweiligen Gewahrsein ist der gesamte Wechsel nur unvollständig bewusst (etwa zwischen drei bloßen Wänden mit Ecken und ein paar Fenstern).
Der Rest (mehr Fenster, Dachkammer, Rückwand) führt ins gerade nicht Bewusste, in eine Verengung.
Gewahrsein beinhaltet zwar auch ein Bewusstsein dieses
Übergangs ("näher heran, nach hinten"). Doch Bewusstsein ist
gewissermaßen der "obere" Abschnitt des Gewahrseins, während
Gewahrsein als solches auch das gerade nicht Bewusste "weiter unten"
umfasst, indem es mit ihm wechselt.
Das ist mehr als ein punktueller Übergang oder ein geronnenes Potential. Aus
dem Wechsel zwischen Bewusstem und Unterbewusstem "empfängt" das
Gewahrsein sozusagen Eindrücke und Ahnungen, die dem statischeren Bewusstsein
entgehen ("eine Kammer irgendwo").
Insgesamt ähnelt das Bewusstsein einem Trichter, dessen Rand
die umschreibende (Wechsel-) Bewegung darstellt, die sich nach innen verdichtet
und verengt und mit dem Trichterkanal in das gerade nicht Bewusste übergeht.
Nur der Mittelpunkt der ganzen Bewegung bleibt immer bewusst. Das Gewahrsein
dagegen folgt dem Kanal bis auf die
andere Seite ("nach hinten, um die Ecke"), das heißt, es wechselt in
das dortige Bewusstsein, dessen Kanal
wieder zurückführt.
Der Unterschied ist nicht streng: Bewusstsein ist immer
Gewahrsein! Gewahrsein ist auch bewusst, weist aber darüber hinaus und beinhaltet
immer mehr als gerade bewusst ist.
Wechsel lässt sich nicht annähernd festschreiben. Mit dem Bewusstsein versuchen
wir nur davon abzusehen, und dann entgleitet uns dessen eigene wechselhafte
Natur, das Gewahrsein, aus dem es sich "herausdreht".
Der Zusammenhang von Gewahrsein
und Bewusstsein hat sich auch in Individualität und Realität
angedeutet: Durch den Wechsel der individuellen Wahrnehmung wird eine
gemeinsame Näherung konstruiert, eine bewusste Realität (ein rollender Stift,
ein Haus). Weil sich die Wechsel-Wicklung bei der Näherungsbildung verdichtet
und die wechselnden Standpunkte im Trichterkanal "verschwinden",
überschauen wir die Realitätsbildung nicht. Da Bewusstsein jedoch immer annähernde Gemeinsamkeiten erzeugt,
ist der Bewusstseinstrichter ein Realitätstrichter. Er erschafft Realität aus dem Trichterkanal durch die
Annäherung von Individualitäten zu einem
Bewusstsein, aber an keiner Stelle
durch einen Verzicht auf sie. Alles bleibt Gewahrsein.
Einige Aspekte werden auch aus den folgenden Abbildungen deutlich.
Abb 1: Oben dargestellt ist die umschreibende Verdichtung im Realitätstrichter. Darunter zeigt eine mögliche Draufsicht, wie der Wechsel der Perspektive zu einem scheinbar ruhenden Objektbewusstsein kondensiert.
Abb. 2: Hier ist Abb. 1 zusammengefasst und weiter vereinfacht. Diesmal habe ich die Gesamtbewegung der Perspektive und das sich ergebende räumliche Objektgewahrsein betont.
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem theoretischen Teil meines Buches
Wahrhaftigkeit. Mit welchem Bewusstsein wir Realität erschaffen
Wahrhaftigkeit. Mit welchem Bewusstsein wir Realität erschaffen