Meinungen

Ich habe versucht zu verstehen, wie Menschen zu ihren Meinungen kommen. Reine Logik und Unvoreingenommenheit sind es jedenfalls selten – weitgehend unabhängig von der Intelligenz. Emotionen verzerren das Denken andauernd in die eine oder andere Richtung. Ängste um irgendetwas tun das ganz besonders. Oft unterschwellig, aber man kann es sehr wohl bemerken, wenn man darauf achtet. In Diskussionen sehe ich manchmal wie unter dem Mikroskop, wie jemand an einer ganz bestimmten Stelle nicht weiterdenkt, sondern immer wieder ins Angenehme abbiegt. Und natürlich soll der Anschein von Rationalität gewahrt werden.

Ein guter Selbsttest für Unvoreingenommenheit ist, wenn man in der Lage ist, sich in alle Akteure hineinzuversetzen. Auf diese Weise lernt man die größte psychische Spannweite kennen. Ein Teil davon ist die Recherche und Analyse von Gegebenheiten, Prioritäten und Wahrscheinlichkeiten. Hier kommt es vor allem auf die Prioritäten und Wahrscheinlichkeiten an, denn diese sind am anfälligsten für emotionale Verzerrungen. Ein anderer Teil ist das bewusste Abstandnehmen und aus diesem Abstand heraus die ständige Selbstüberprüfung auf Irrtümer wie z.B. falsche Grundannahmen oder die Verwechslung der Ebenen des Gesamtgeschehens. Außerdem: Was ist das Ziel? Die Wahrheit zu finden - auch auf Kosten der bisherigen Überzeugungen - oder die Meinung, in die man schon viel investiert hat, zu stärken?

Bauchgefühle allein sind hochgradig manipulierbar. Schon ohne Manipulation liegt man manchmal richtig und manchmal falsch. Wenn schon Bauchgefühl, dann wenigstens richtig: möglichst emotionslos, aus einer Tiefe heraus, die man sonst wenig beachtet. Und das führt wieder zum Hineinversetzen und Ausleuchten aller Perspektiven. Und zur ständigen Selbstüberprüfung. Auch damit ist niemand fehlerfrei, aber es dürfte die Fehlerrate deutlich senken.